Kindergartenwesen quo vadis? 11. Oktober 202215. Januar 2023 | Max Betten Im Rahmen des letzten Treffens des Tettnang Grünen-Ortsverbands gab Kajo Aicher als Vorsitzender der grünen Gemeinderatsfraktion einen kurzen Überblick über die Situation der Kindergärten in Tettnang und es schloss sich eine angeregte Diskussion an. 16 Kindertagesstätten gibt es in Tettnang, davon mit dem Waldkindergarten acht in der Trägerschaft der Stadt selbst, sieben in kirchlicher Trägerschaft und das Kinderhaus der Firma Vaude. Die Situation der Kinderbetreuung in diesen Einrichtungen ist durch folgende Punkte geprägt: - Durch die Einführung des Rechtsanspruchs auf Betreuung der unter Dreijährigen ergab sich für die Stadt in den letzten Jahren der Zwang zu laufenden Kindergartenerweiterungen bzw. Neubauten, was trotz Baukostenzuschüssen eine erhebliche finanzielle Belastung der Stadt darstellt. Trotz erheblicher Bautätigkeit sind die bestehenden Einrichtungen regelmäßig zu 100 % ausgelastet unter Einbeziehung nicht nur der Regel- sondern auch der Notplätze. Besonders in der Ortschaft Kau und dem nördlichen Stadtgebiet besteht weiterer Bedarf an Kindergartenplätzen. Hinzu kommt hier auch, dass neben dem Betreuungsanspruch für unter Dreijährige Tettnang nach wie vor Zuzugsregion ist, was auch die Zahl der über Dreijährigen weiter ansteigen lässt. - Mit dem Zuwachs an Kindertagesstätten einher geht ein sehr starker Personalzuwachs. Auch hier zeigt sich, dass sich die Schere zwischen Gesamtdefizit und Landeszuschüssen zu Lasten der Stadt immer weiter öffnet. Mittlerweile beläuft sich der Abmangel, der nach Landeszuschüssen und Elternbeiträgen beim städtischen Haushalt verbleibt, etwa 6 Mill. €. Dieser Betrag schnürt den finanziellen Handlungsspielraum der Stadt für andere wichtige Projekte immer mehr ein. - Aufgrund bundesweitem Fachkräftemangel finden sich nicht mehr genügend Fachpersonal. Lücken, Krankheits- und Urlaubsvertretungen müssen soweit möglich mit Zeitarbeitskräften abgedeckt werden, was mittlerweile auch nicht mehr vollständig gelingt. Um Einrichtungen nicht ganz schließen zu müssen, mussten nun auch Öffnungszeiten reduziert werden. Auch zwei geplante Kindergartengruppen im neuen Kindergarten im Schäferhof konnten mangels Personal gar nicht erst eröffnet werden. - Der Personalmangel wird noch dadurch verschärft, dass aufgrund der enormen Arbeitsbelastung immer mehr Betreuungspersonal in andere Berufsfelder abwandert. Dabei ist die Belastung unter anderem auch damit begründet, dass das Kindergartenpersonal auch mit immer mehr Verwaltungsaufwand, Dokumentationspflichten usw. zu bewältigen hat. - Das Personalproblem führt auch dazu, dass in der städtischen Verwaltung erheblicher Aufwand mit Personalsuche, Vorstellungsgesprächen, Bewerbungsprüfungen usw. betrieben werden muss. In der Diskussion wurde das Fazit gezogen, dass diese Problematik nicht auf kommunaler Ebene gelöst werden könne, hier sei insbesondere das Land stark gefordert. Die Stadt sei an einer Grenze der Finanzierbarkeit angekommen. Ohne Entlastung könne die Situation nicht gehalten werden, es sei mit einer weiteren Verschlechterung zu rechnen. Gruppenvergrößerungen und die Einbeziehung von nicht in Sachen Kinderbetreuung ausgebildetem Personal löse die Probleme nicht, sondern senke die Qualität der Kinderbetreuung und frühkindlichen Bildung, was sich in den Folgejahren im Bildungssektor rächen werde. Um die Arbeit in Kindergärten wieder attraktiv zu machen, sei es notwendig, die starke Belastung der Fachkräfte auf ein wieder erträgliches Maß zu reduzieren. Wie der künftige Rechtsanspruch auf Ganztagesbetreuung in allen Grundschulen ab 2026/27 erfüllt werden solle, sei völlig fraglich, wenn bereits jetzt Personal fehle.Text: Hans Schöpf